Für die Bühler Initiative „Ischeroth erhalten“ ist die kommunalpolitische Entscheidung um ein evtl. Gewerbegebiet Wilhelmshöhe-Nord von höchster Bedeutung. Zur Erinnerung: Nahezu alle Bürgerinnen und Bürger von Bühl hatten sich in einer Unterschriftenaktion gegen die Zerstörung des Ischeroth und damit gegen die Realisierung eines Industriegebietes GIB Wilhelmshöhe-Nord mit ausdrücklich „Störendem Gewerbe“ ausgesprochen.
Von den beiden Bewerbern um das Freudenberger Bürgermeisteramt bei der Kommunalwahl am 13. September 2020 wollten wir deren Haltung zu diesem wichtigen Thema wissen.
Auf unsere Anfrage haben die Amtsinhaberin Nicole Reschke (SPD) und ihr Herausforderer Christoph Reifenberger (CDU) geantwortet, wofür wir herzlich danken.
Stellungnahme
Nicole Reschke (SPD)
Grundsätzlich bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass wir in Freudenberg Gewerbeflächen insbesondere zur Erweiterung von heimischen Unternehmen in Autobahnnähe vorhalten müssen. Die ausführliche Untersuchung der in Frage kommenden Flächen war Grundlage dafür, warum der Bereich Wilhelmshöhe-Nord schließlich beschlossen wurde und in den Regionalplan aufgenommen worden ist.
Zu Beginn meiner Amtszeit habe ich gesagt, dass geprüft werden muss, wie eine Umsetzung möglich ist. Zudem haben wir die Anregungen sowie die Kritik sehr ernst genommen und die Planung insofern stark überarbeitet, dass sowohl hinsichtlich der Größe, der Höhenlage als auch der Einsehbarkeit deutliche Änderungen vorgenommen worden sind. Auch die Gespräche mit den Vorständen der Waldgenossenschaften als Vertreter der Grundstückseigentümer sind sehr sachlich und fair verlaufen.
In einem Bebauungsplan, der vom Rat der Stadt Freudenberg beraten und beschlossen werden muss, wird zukünftig festgelegt, welche Art von Unternehmen in diesem Gebiet zugelassen wird. Damit haben wir ein Steuerungsinstrument in der Hand, welche die mögliche Nutzung beschreibt und selbstverständlich bestimmte Nutzungen auch ausschließt. Insbesondere werden wir dafür Sorge tragen, dass das Maß an Belastungen wie Lärm und Schadstoffe nicht die Lebensqualität der Menschen in den Ortschaften einschränkt.
Die Perspektive Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen sowie das Ziel, das Lebensumfeld aller Menschen in Freudenberg attraktiv zu halten, werde ich auch weiterhin miteinander verknüpfen wollen. Mein Anspruch ist, den Dialog auf Augenhöhe weiterzuführen und mit Sachlichkeit und Fairness in die weiteren Gespräche zu gehen.
Stellungnahme
Christoph Reifenberger (CDU)
Politik hat viele Interessen zu berücksichtigen und miteinander in Einklang zu bringen. Ein einfaches schwarz-weiß ist in den wenigsten Fällen möglich. Die Kunst ist es vielmehr, einen für alle annehmbaren Kompromiss zu finden. Das ist das Wesen unserer Demokratie. Das ist meine Herausforderung, sollte ich Bürgermeister dieser Stadt werden. Und dieser Herausforderung stelle ich mich gerne. Auch innerhalb der CDU Fraktion gibt es unterschiedliche Auffassungen, wie mit diesem Thema umzugehen ist.
Geben Sie mir bitte jedoch zunächst die Gelegenheit, die Zusammenhänge zu umreißen. Die CDU hat sich in diesem Thema bereits zu Beginn der noch laufenden Wahlperiode eindeutig positioniert:
- Auf Anregung der CDU-Fraktion wurde der „Beschluss zur städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme“ (im Volksmund als „Enteignung“ bezeichnet) zurückgenommen mit dem Ziel, in Gespräche auf Augenhöhe mit den Waldeigentümern eintreten zu können. Die CDU hat vor allen anderen diese Gespräche mit den Haubergsvorständen gesucht und vermittelt.
- Wir halten grundsätzlich neue Gewerbe- und Industriegebiete in Freudenberg auch im Hinblick auf die erklärten strategischen Ziele im Leitbild für wichtig und nötig, sofern ein nachweisbarer Bedarf besteht.
- Eine Entwicklung gegen den erklärten Willen von Grundstückseigentümern ist nicht im Interesse der CDU und wird nicht forciert.
- Planerisch richtig ist auch in Bezug auf Freudenberg, dass die Nähe zur Autobahn ein Hauptkriterium für die Standortwahl ist. Diesen Standortvorteil gilt es zu berücksichtigen.
- Die ortsbildprägende grüne Umrandung von Bühl und Büschergrund soll nicht weitreichend verändert werden.
Diese und weitere Thesen hat die CDU bereits im Januar 2018 formuliert und auch in den entsprechenden Ausschüssen öffentlich vorgetragen. Eine Fixierung auf den Ischeroth findet nicht statt. Im Gegenteil: Wir haben weitere Alternativen zur Prüfung vorgeschlagen, die jedoch bisher von der Verwaltungsleitung verworfen wurden! Unabhängig davon erfordert jedoch die aktuelle Situation nach unserer Auffassung eine Neubewertung etwaig vorhandener Bedarfe. Es kann nach unserer Auffassung zurzeit vorrangig nur darum gehen, vorhandene Betriebe und die Arbeitsplätze dort zu halten. Eine Expansion scheint im Augenblick nicht im Vordergrund zu stehen.
Im Übrigen hat die Bürgermeisterin, die den Gesamtprozess jetzt bereits weitere 5 Jahre verschleppt hat, im Augenblick den Auftrag des Rates, mit den Haubergsgenossenschaften Bühl und Büschergrund zu verhandeln. Hier ist dem Rat jedoch kein aktueller Sachstand bekannt. Auch das spricht für sich.
Ich werde mich im Falle meiner Wahl für einen zeitnahen Abschluss der Verhandlungen und Klarheit für alle Betroffenen einsetzen.
Was sagen Sie z. B. dem Unternehmer, der seine Firma hier in Freudenberg vergrößern will, aber keine geeignete Fläche findet und erwägt, mit seiner Firma nach Hünsborn umzusiedeln, weil dort günstige Industrie- und Gewerbeflächen angeboten werden. In diesem Fall würden hier Arbeitsplätze wegfallen. Auch die Gewerbesteuer fehlt dann, die z.B. zur Erhaltung des Kurparks, zur Unterhaltung des Freibads oder auch zur Ausrichtung des Weihnachtsmarktes verwendet wird, um nur einige Beispiele zu nennen.
Der berechtigte Wunsch nach sicheren Arbeitsplätzen auch durch den Ausbau vorhandener oder die Ansiedlung neuer Betriebe auf der einen, und der Schutz und dem Erhalt der Schöpfung und der Umwelt auf der anderen Seite müssen „unter einen Hut“ gebracht werden. Das ist nicht trivial. Wenn Sie die Lösung kennen: Lassen Sie es mich gerne wissen.
Jede Medaille hat eben immer zwei Seiten.
Die Missachtung der Natur ist in jedem Fall zu verurteilen. Die Neunutzung vorhandener Industriebrachen ist z. B. ein probates Mittel, weiteren Flächenverbrauch zu umgehen. Dazu bedarf es allerdings Aufwände, die ich angehen werde. Zurzeit hat die Bürgermeisterin dieses Handlungsfeld nicht im Blick. Die Position „Wirtschaftsförderung“ im Haushalt der Stadt Freudenberg, unter die diese Aufwände einzuordnen wären, sieht aktuell keinerlei Aktivitäten diesbezüglich vor. Das werde ich ändern.
Ich würde mich freuen, wenn wir weiterhin im Gespräch bleiben und auch durch einen sachlichen Meinungsaustausch die gegenseitigen Beweggründe besser verstehen lernen. Nichts ist so lähmend wie Menschen um sich zu haben, die immer der gleichen Meinung sind, wie man selbst. Nur so können wir Freudenberg aus der 5jährigen Lethargie herausholen und etwas bewegen.