Die Aula im Schulzentrum bis auf den letzten Platz gefüllt: Viele Bürgerinnen und Bürger wollten die Fraktion-Meinungen hören
Es war die erste gemeinsame Bürgerversammlung für Bühl und Büschergrund – und sie stellte sich als großer Erfolg heraus. Die Aula im Schulzentrum war jedenfalls bis auf den letzten Platz gefüllt. Das Interesse war also gewaltig – und nicht nur die Bürgerschaft aus diesen beiden Orten wollte wissen, was die Vorsitzenden der im Rat vertretenen Fraktionen zu den umstrittenen Industriegebiets-Plänen auf dem Ischeroth zu sagen hatten.
Ortsvorsteher Matthias Irle aus Büschergrund begrüßte die zahlreichen Gäste
Nach der Begrüßung durch den Büschergründer Ortsvorsteher Matthias Irle erläuterte Daniel Utsch aus Bühl den bisherigen Sachstand, der zuletzt in der Zustimmung des Arnsberger Regionalrates für die Änderung des Regionalplanes mündete. Planer-Wunsch: Auf der Wilhelmshöhe am Ischeroth soll Platz geschaffen werden für insbesondere „Störende Industriebetriebe“.
Daniel Utsch aus Bühl erläuterte den Sachstand, bisherige Beschlüsse und die Kritik an dem geplanten Industriegebiet
In einer ersten Runde hatte Patricia Lutter, bekannt von Radio Siegen, die Spitzenpolitiker aus dem Flecker Rathaus zu einem grundsätzlichen Statement gebeten.
Arno Krämer (SPD) betonte zunächst, seine Fraktion werde einiges aus dieser Diskussion für ihre Beratungen mitnehmen. Vieles von den Gegenargumenten komme ihm bekannt vor, da er sich gegen das Gebiet Wilhelmshöhe-West gewendet habe. „Einiges ist bisher falsch gelaufen“, wiederholte er mehrmals. Für die Entwicklungschancen für Freudenberg würden Gewerbegebiete notwendig sein. Bürger müssten gebunden werden durch attraktive Arbeitsplätze wie ein angenehmes Wohnumfeld.
Arno Krämer aus Lindenberg erläuterte den Stadtpunkt der SPD-Ratsfraktion
„Ich meine, Wilhelmshöhe-West ist nicht schief gelaufen“, erwiderte Peter Kulik von der CDU. Firmen brauchten manchmal Vorratsflächen, weshalb er dafür Verständnis habe, dass dort nicht sofort alle Flächen bebaut worden seien. Fakt sei, die Bezirksplanungsbehörde habe jetzt der Stadt 10 ha Industriefläche zugestanden. Dass für die nächsten Generationen wohnortnahe Gewerbeflächen benötigt würden, sei in den Fraktionen diskutiert worden. Die Untersuchung habe Wilhelmshöhe-Nord von der Erschließung her als das geeignetste Gebiet ergeben. Kein anderes Gebiet verfüge über eine so große zusammenhängende Fläche. Die Böschungsflächen könnten womöglich der Natur zurückgegeben werden.
Peter Kulik aus Niederndorf gab den Standpunkt der CDU-Fraktion bekannt
Paul Schmidt (Alternative Liste) stellte an den Beginn die Frage „Wer hat das alles bezahlt – diese Planung?“. Seine Fraktion sei entsetzt gewesen über die gigantische Größe des Gebietes. Da er keine Notwendigkeit dafür sehe, spreche er sich dafür aus, das Gebiet nicht zu verwirklichen. Dies sei Inhalt des Antrages vom 13. Oktober 2014, über den bislang nicht abgestimmt worden sei.
Er erinnerte die Verwaltung an die Inhalte der „Lokalen Agenda“, die diese selbst auf ihrer Homepage eingestellt habe und die Bürger auffordere, sich einzumischen. Maßnahmen könnten nicht von oben herab diktiert, sondern müssten im Dialog entwickelt werden.
Paul Schmidt aus Freudenberg sprach für die AL-Fraktion im Stadtrat
Auch Christiane Berlin (B90/Grüne) outete sich zunächst als Gegnerin des Gebietes „Wilhelmshöhe-West“, wo es gelungen sei, es maßgeblich zu verkleinern. Sie wandte sich strikt gegen die neue Gewerbefläche: „Niemand hat dargelegt, wie hoch eigentlich der Gewerbesteuerertrag ist“. Für viele Bürger sei der Ischeroth Ort der Ruhe und Erholung. Die Welt, in der wir leben, werde unwiederbringlich vernichtet: „Sollen sich die Tiere demnächst in Schließfächern der Sparkasse tummeln?“ Und sie fragte, wo eigentlich die versprochenen Arbeitsplätze seien. Ihr Fazit: Wir stimmen dem nicht zu“.
Christiane Berlin (2.v.l.), Sprecherin für Bündnis 90/Grüne, ist die einzige Frau in der Führungsriege der Fraktionen
Thorsten Freda von der FDP bedauerte eine „Ja, aber“-Mentalität in der Bevölkerung. Jede wolle attraktive Arbeitsplätze, aber nicht vor seiner Haustüre. Seine Fraktion habe keine einheitliche Meinung, als Stadtverordneter müsse er allerdings die Gesamtheit der Stadt im Auge haben. Für Freudenberg sehe er durchaus ein gesundes Verhältnis zwischen Bebauung und Natur. Mit Wilhelmshöhe-Nord sehe er die letzte Möglichkeit für ein großes zusammenhängendes Gebiet. Und für die finanziellen Grundlagen sei Gewerbesteuer wichtig. Das Bekenntnis zum Schluss: Er sei gegen jede Form der Enteignung.
Thorsten Freda aus Freudenberg leitet jetzt die FDP-Fraktion im Freudenberger Stadtrat
Im weiteren Verlauf konnten die interessierten Bürger ihre Fragen loswerden. Dabei der Appell von Peter Kulik: „Es muss ein neuer Dialog gesucht werden“. Bohrende Fragen eines Diskussionsteilnehmers: „Wären denn die Gewerbesteuereinnahmen gesichert, wie viele Arbeits- und Ausbildungsplätze würden entstehen?“ Dazu ein Zwischenruf: „Wir brauchen Ausbildungsplätze, aber keine Diskotheken und Lagerhallen!“
„Wir sollten unseren Enkeln auch Arbeitsplätze gönnen“, warb Arno Krämer für Wilhelmshöhe-Nord. Derzeit herrsche Stillstand, weil es keine Perspektive für Gewerbeflächen sonst gebe. Die Details dafür gelte es abzuklären. Eine „blinde Zustimmung“ der SPD werde es aber nicht geben.
Peter Kulik lobte in einer Erwiderung „den tollen Branchenmix in Freudenberg“ – und auch weiterhin sei die mittelständische Industrie im Blick. Es gebe einen mehrheitlichen Beschluss für das neue Gebiet, aber die CDU nähme den ‚Widerstand’ auf und suche nach einer Form, Kompromisse zu finden.
Christiane Berlin erinnerte an ihre Forderung zu einem Leitbild für die Stadt: „Was wollen wir eigentlich in Freudenberg sein, reine Industriestadt oder auch Fremdenverkehrsstadt?“ Der Dialog sei von der Verwaltung nicht richtig geführt worden.
Den Hinweis „auf entscheidende Fehler im Vorfeld“ wiederholte Arno Krämer. Die bisherigen Pläne seien nur „Hilfskonstrukte“. Fakt seien die Freigabe für Planungsbedarf und die Festlegung, an welcher Stelle dies geschehen solle. Der Rat und die Ausschüsse müssten nun an die Ausgestaltung gehen, wie sich die Weiterentwicklung vollziehen solle. Auch er erhoffe sich im Gespräch mit den Eigentümern einen Kompromiss.
Eine Besucherin brachte es pointiert auf den Punkt: „Politiker müssen auf uns Bürger zugehen und informieren. Sie sind auch dazu da, auf den Willen der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen.“
Ulrich Banken, Vertreter des BUND und des Landesbüros der Naturschutzverbände, ermutigte die Kritiker des zu großen Industriegebietes: „Sie haben die besten naturschutzrechtlichen Gründe gegen Wilhelmshöhe-Nord“. Es treibe ihm die Zornesröte ins Gesicht, wie hier einige ohne Rücksicht „durch die Wand gehen wollten“. Direkt wandte er sich an Arno Krämer mit der Aufforderung, nicht blind gegenüber den Argumenten zu sein. Ihm selbst habe er mit einem Gutachten geholfen, dass Wilhelmshöhe-West nicht so nah an sein Haus komme. „Fassen sie Mut zur Einsicht“, so Banken an Krämer. Ein Appell, der den heftigen Beifall des Auditoriums nach sich zog.
Jedenfalls war viel von „Zukunft“ und „Jugend“ in der Diskussion die Rede, was schließlich Christoph Nöh zu der Aussage bewegte „Ich fühle mich auch noch jung und jungen Leuten ist auch der Wohnwert ihrer Heimat wichtig“. Manchmal sei das besser als die Klötze auf einem Gebiet, das sich nicht geordnet refinanzieren könne. Auf die mehrfachen Fragen aus dem Publikum, wie denn tatsächlich die Netto-Bilanz von Arbeits- oder Ausbildungsplätze nach „Wilhelmshöhe-West“ aussehe, konnte keine konkrete Antwort gegeben werden.
Die System-Darstellung zeigt das von den Planern favorisierte Hochtableau. Dafür muss der Ischeroth in weiten Teilen – und weithin sichtbar -abgetragen werden.
Peter Kulik rief dazu auf, im jetzt beginnenden Planungsprozess, der irgendwann in einem Bebauungsplan ende, reichlich Stellung zu nehmen. Die bekannten Pläne seien ein erster Vorentwurf der Sparkasse gewesen: „Und die müssen sich auch noch einmal Gedanken machen.“ Am Ende habe auch Wilhelmshöhe-West völlig anders ausgesehen als am Planungsbeginn.
„Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme“ soll nicht angewendet werden
In einem Punkt übernahm Christiane Berlin die Sprecherrolle für ihre Kollegen: „Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme wird keine Maßnahme sein, die Freudenberg durchführt.“ Dies sei zwar eine rechtliche Möglichkeit der Enteignung, „die wir aber nicht durchführen“.
Einen Widerspruch der anderen Fraktionsvorsitzenden dagegen gab es nicht.
Auch Kreisheimatpfleger Dieter Tröps war nach Büschergrund gekommen. Er dankte den Ortsheimatpflegern für ihr Engagement zu Gunsten ihrer Orte und der Landschaft
Zum quasi ersten Schlusswort hatte sich Kreisheimatpfleger Dieter Tröps gemeldet: „Ich will den Initiatoren danken, die jetzt seit einigen Jahren sich so engagiert für Heimat und Natur einsetzen.“ Namentlich sprach er damit die beiden Ortsheimatpfleger Rolf Kolb (Bühl) und Manfred Flender (Büschergrund) an. Und mit seiner Meinung zur Sache hielt er mit Blick auf den Ischeroth auch nicht hinter dem Berg: „Es kann nicht richtig sein, so eine Landmarke zu zerstören!“
Alptraum verhindern
Schließlich appellierte Ortsvorsteher Friedhelm Höfer: „So ein Alptraum darf sich nicht erfüllen“. Gewerbegebiete seien notwendig – und Bühl wie Büschergrund hätten dafür schon eine Menge ihrer Flächen zur Verfügung gestellt. „Aber die jetzige Planung ist viel zu groß!“ Die Stadtverordneten rief er auf, nach einem wirklichen Dialog selbst zu entscheiden und nicht bloß die „Spielregeln des Investors“ abzunicken.
Für Höfer ist der Ischeroth mehr als nur ein ganz normaler Berg. Er schenke eine Fülle von Ausblicken. Würde „GIB Wilhelmshöhe-Nord“ so umgesetzt, werde es in dem Berg tiefe Einschnitte aber zugleich auch Auffüllungen in Dimensionen geben, die man sich kaum vorstellen könne. Sein Eindruck: „Kreuztal würde nie ein Gewerbegebiet am Kindelsberg errichten“. Auch dieser Aussage widersprach Freudenbergs Baudezernent aus der Nachbarstadt nicht, der schweigend den Abend im Publikum verbrachte.
Friedhelm Höfer als Ortsvorsteher von Bühl kam das Schlusswort zu. Sein Appell: Den Alptraum verhindern