In der Ratssitzung am 15. März 2018 will die Freudenberger Stadtverwaltung ihr Ziel für ein Gewerbegebiet Wilhelmshöhe-Nord nun zur Umsetzung bringen. Nach dem Haushalts-Marathon wird der Punkt unter der laufenden Nummer 12 aufgerufen, so legte es die Bürgermeisterin fest. Dort sollen die Stadtverordneten für den Plan „Vermittelte Variante mit Massenausgleich“ abstimmen.
„Das ist der Plan, der den lange abgelehnten Ursprungsüberlegungen wieder am nächsten kommt“, stellt Bühls Ortsvorsteher Friedhelm Höfer erschüttert fest. Genau gegen diese Variante habe sich doch seit Jahren der intensivste Protest ergeben. „Vor diesem Hintergrund davon zu sprechen, man sei nun auf Sorgen und Bedenken der Bürger eingegangen, ist eine fast schon bösartige ‚politische Leerformel’ ohne wirkliche Grundlage,“ empört sich Gerhard Böcking.
Tatsache sei, die nun von der Stadt gewollte Fläche sei weiterhin als Hochtableau geplant, nur 1,85 Meter tiefer als bisher vorgesehen, aber damit weithin sichtbar als Massiv-Eingriff am Ischeroth.
Abgerückt sei die Stadt ebenso wenig von der Festlegung „GI“, so Christian Johann. Zu dieser Kategorie heiße es eindeutig im Paragraph 9 der Baunutzungsverordnung: „Industriegebiete dienen ausschließlich der Unterbringung von Gewerbebetrieben, und zwar vorwiegend solcher Betriebe, die in anderen Baugebieten unzulässig sind“.
In der Bürgerversammlung am 24. Januar 2018 hatte Baudezernent Hartmann lediglich zugesagt, von den 221 im Abstandserlass genannten Betriebsarten sollten zumindest Kraftwerke, Kokereien, Hüttenwerke, Raffinerien, Stahl- und Chemiewerke, auch Elektrostahlwerke sowie Betriebe zur Herstellung von Pflanzenschutzmitteln, Anlagen zur Behandlung von Abfällen, Betonzementwerke oder –Mischanlagen, Kompostieranlagen oder Betriebe zum Umschlag von Abfällen, Tierfutterherstellung , Speditionen für größere Gütermengen, Brauereien oder Modellsportanlagen für unzulässig erklärt werden. Alles andere, so zieht Peter Künstler die Bilanz, dürfe offensichtlich künftig in Wilhelmshöhe-Nord angesiedelt werden. „Selbst die schönsten Worte des Baudezernenten setzen Bundesgesetzliche Vorgaben nicht außer Kraft!“
Mit der „GI-Festlegung“ bleibe auch die „Technischen Anleitung Lärm“ maßgebend, dass ausdrücklich und nur in einem solchen Gebiet Tags wie nachts eine beständige Lärmentwicklung von 70 dB(A) möglich ist.
„Die Leitbild-Festlegung der Stadt, Orte sollten attraktiver Wohnstandort sein und die Lebensqualität der Dörfer solle erhalten bleiben, ist angesichts der Wilhelmshöhe- Planung für Bühl und Büschergrund hohles Geschwafel“, empfindet Ortsheimatpfleger Rolf Kolb. Beim Windpark Knippen könne die Bevölkerung ja geradezu beispielhaft miterleben, wie „Investoren“ mit rechtlichen Einschränkungen umgingen. „Das sollte für jeden eine Warnung sein, was künftig alles über Bühl und Büschergrund herab geschehen kann.“
Bedauerlich findet es die Initiative zum Erhalt des Ischeroth auch, dass die an die Fraktionen der SPD, CDU und FDP gestellten Fragen rundweg nicht beantwortet wurden. Keine Rückantwort gab’s zur Bitte um Information, wie groß die Bruttofläche des angedachten Bereichs sei oder in welchem Umfang der gesetzlichen Vorgabe des ökologischen Ausgleichs gefolgt wird. Sprachlos blieben die Fraktionen auch bei der Erkundigung, wer eigentlich am Ende der Investor sei und wie dieser ausgesucht wurde. Keine Antwort ebenso zur Bitte, das Konzept zur Geräuschkontingentierung näher zu erläutern oder wie ein angekündigter „flächenbezogener Schalleistungspegel“ zur Anwendung kommen soll.
„Uns wundert ebenso, welche Vorlagen den Ratsmitgliedern vorgesetzt werden“, stellt Ortsvorsteher Matthias Irle aus Büschergrund fest. Im Text zum Rat lässt die Bürgermeisterin nach wie vor formulieren, „der Stadtentwicklungsausschuss habe empfohlen, der Rat solle beschließen“. Sogar in der Öffentlichkeit sei aber angekommen, dass der benannte Ausschuss am 28. Februar 2018 das Thema überhaupt nicht behandelt hatte.
Die Initiative fasst ihre Einschätzung noch einmal zusammen: Wilhelmshöhe-Nord ist ein viel zu großer Eingriff in Landschaft und Natur, belastet massiv die betroffenen Wohnorte durch ausdrücklich gewollte ‚störende Industrie’ und füge sich nicht in die naturräumliche Umgebung ein: „Wilhelmshöhe-Nord passt so hier nicht hin!“. Die industrielle Überformung wirke sich über Büschergrund bis in die Kernstadt aus und führe Konzepte einer nachhaltigen Wohnbesiedlung ins Absurde. Hier würde Freudenberg und seiner Entwicklung ernsthaft Schaden zugefügt. Kompromiss-Vorschläge seien lapidar vom Tisch gefegt worden, weil „Bodenmanagement für wenig Geld“ wichtiger sei als Betroffenen-Meinung.
Sollte der Rat tatsächlich der Vorlage zustimmen, sei das Wort gebrochen, nur im Einvernehmen mit der Bevölkerung die weitere Planung zu betreiben. „Fühlt sich die Mehrheit der Ratsmitglieder eigentlich mehr irgendwelchen Investoren für billigen Baugrund als den Interessen der eigenen Bürger verpflichtet?“ bleibt am Ende die große offene Frage.